7. Ausgabe 19.04.2015


Liebe Kunstfreunde!

Mitten in Kiel steht eine nackte Ägypterin. Tag und Nacht. Sie hat nicht mal eine Mini-Burka untenrum an, grad mal so ein Fetzen von Kopftuch im Nacken. Und dermaßen scharfe – ja man muss wohl sagen höllenscharfe – Säbel in der Hand. Was sie mit denen vorhat, ist nicht ganz klar. Wie das tapfere Schneiderlein damit den Kieler Regen aufhalten, auf dass er sie nicht befeuchte? Wo findet man sie? Mitten im Kieler Rathaus in der Rotunde. Sie ist superdynamisch drauf, obwohl sie fast schon 120 Jahre alt ist. Keine Falte nix. Zwei Weltkriege – locker weggesteckt. Zugegeben: sie ist aus Bronze und stammt von Kaisers Lieblingsbildhauer (warum wohl?) Adolf Brütt.

Aber sie könnte doch prima der Völkerverständigung zwischen Ägypten und Deutschland dienen. Wenn man noch einen Abguss machte und auf einer Siegessäule mitten in Kairo auf dem Tahrir – Platz postieren würde als Gruß aus Kiel, da würde sich die Tourismusagentur sehr freuen. Schließlich haben Kiel und Kairo mit ihrer Lage in Nähe zu den wichtigsten Kanälen der Welt eine automatische Affinität. Zudem hätten die armen ägyptischen Frauen ein optischen Halt in ihrem schwierigen Leben. Die Deutschen haben dafür ihre Nofretete. Umgekehrt, wenn Ägypter Kiel besuchen, sollte man sie zu der Namenlosen führen und ihnen unsere Gastfreundschaft beweisen.


Und jetzt ganz was anderes:

Inland, Ausland: kein einfaches Thema in Kiel, wenn es um repräsentative Skulpturen geht. Tatsache ist, dass in Kiel einige sehr teure dänische Skulpturen in den letzten Jahrzehnten von der verarmten Stadt erworben wurden. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Aber haben Sie schon mal gesehen oder gehört, dass in irgendeinem Gegenhafen in Skandinavien eine Skulptur aus Kiel die Menschen begrüsst? Z. B. in Oslo? Die sind grade nicht so verarmt. Das wäre wirklich eine tolle „Begrüßungskultur“. Mir ist dergleichen nicht bekannt. Es müssen ja nicht gleich die Maße der Freiheitsstatue von New York sein. Tatsache ist: jeden Tag schütten die Fähren und Frachter und im Sommer diese schwimmenden Trägheitsbatterien und Faulanlagen ihre Schwerölwolken über Kiel aus. Wäre das nicht eine nette Kompensation? Gift gegen Kunst? Bloß wen soll man da anbohren? Die Schiffe? Igitt! Die Reeder? Vielleicht. Mit den Reedern reden? Sie zur Rede stellen?

Ich weiß es nicht.

Ich bin doch blöd!
Ben Siebenrock